Hypes und Challenges sind keineswegs ein neues Phänomen. Doch was sich verändert hat: Die Mutproben finden heute meist vor einem großen Publikum auf Social Media statt und Hypes verbreiten sich online rasant. Schnelllebige Trends aus dem Internet prägen die Jugendkultur seit einigen Jahren maßgeblich. Jugendliche möchten ihren Idolen nacheifern, Gleichaltrigen etwas beweisen, Likes und Bewunderung im Netz oder einfach dazugehören. Daran ist nichts falsch, jedoch wird aus Spaß schnell Ernst, wenn sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig zu gefährlichen Mutproben anstacheln oder gewaltsame Filmszenen nachstellen. Wenn dies nicht nur im Privaten, sondern auf dem Schulhof oder in der Klasse stattfindet, sind auch die Schulen gefragt. Dieser Artikel beleuchtet, wie Lehrkräfte mit gefährlichen Challenges in der Schule umgehen können und wann ein schnelles Eingreifen notwendig ist.
Riskante Mutproben
"Challenge" lässt sich mit Herausforderung übersetzen und ist im Social-Media-Kontext häufig die moderne Form der Mutprobe.
Dass Kinder und Jugendliche ihre Grenzen austesten, sich vor allem gegenüber Gleichaltrigen beweisen wollen und sich dabei auch zu riskantem Verhalten hinreißen lassen, ist nicht ungewöhnlich.
Durch Hashtags auf Social Media verbreiten sich Trends heute allerdings viel schneller. Die Allgegenwärtigkeit sozialer Medien im Leben von Jugendlichen, kann den Druck erhöhen, an Trends teilzunehmen, um dazuzugehören. Auch das Publikum, von dem sich Jugendliche Anerkennung erhoffen, ist viel größer geworden. Der verlockende Gedanke von viraler Berühmtheit kann außerdem dazu führen, dass sich Jugendliche zu waghalsigen, leichtsinnigen oder bewusst schockierenden Aktionen hinreißen lassen.
Neben scheinbar willkürlichen Challenges sind viele Internet-Mutproben auch von Filmen, Fernsehen und Videospielen inspiriert. Hypes wie die "Bird Box"-Challenge oder Trends rund um die Netflix-Serie "Squid Game" sprechen Kinder und Jugendliche besonders stark an. Solche Internet-Phänomene entwickeln auf Social Media häufig eine gefährliche Eigendynamik, die sich auch in das reale Leben übertragen kann.
Umgang mit problematischen Internet-Challenges
Um den Problemen durch virale Challenges, Internet-Hypes und riskante Mutproben zu begegnen, ist nicht nur eine Aufklärung der Schülerinnen und Schüler notwendig. Für Jugendliche ist die Schule ein wichtiger Ort, um über negative Inhalte oder Auswirkungen von Challenges zu sprechen.
In einer Befragung der Landesanstalt für Medien NRW äußerte ein Großteil der befragten Jugendlichen den Wunsch nach einer Thematisierung von Challenges im Unterricht und somit auch Unterstützung bei negativen Erfahrungen zu gewinnen. Auch die Schulung von schulpsychologischem Personal oder etwa Schülerlotsen für einen Peer-Bezug können unterstützen. Ausgearbeitete Leitfäden können Lehrkräften helfen, bei einer Thematisierung durch Schülerinnen und Schüler Einfluss zu nehmen.
Weiterhin ist auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften und Eltern sowie innerhalb des Kollegiums erforderlich, um eine gut funktionierende Herangehensweise zu finden. Nachfolgend zeigen wir Tipps und mögliche Lösungswege auf.
Schulalltag und Unterricht
Bemerken Sie, dass sich unter Ihren Schülerinnen und Schülern riskante Trends verbreiten oder gewaltverherrlichende Szenen auf dem Schulhof nachgespielt werden, sollten Sie natürlich sofort reagieren.
Doch selbst wenn Sie in einem günstigen Moment direkt eingreifen können, sollte das Problem an unterschiedlichen Stellen thematisiert werden. Wenn z. B. jüngere Schülerinnen und Schüler Gewaltszenen auf dem Schulhof nachstellen, sind ihnen Auswirkungen oder die Dimensionen ihres Handelns nicht immer bewusst. Eine möglichst sachliche und lösungsorientierte Behandlung der betreffenden Inhalte ist daher ratsam:
Wenn Sie Ihre Schülerinnen und Schüler bei riskanten Challenges beobachten, ist es sinnvoll einzuschreiten. Versuchen Sie dabei zu verdeutlichen, dass gewalttätige oder bewusst leichtsinnige Challenges nicht in Ordnung sind: Machen Sie Ihren Schülerinnen und Schüler dabei möglichst einfühlsam deutlich, welche Konsequenzen solche riskanten Aktionen haben können.
Anschuldigungen oder rigorose Verbote (wie etwa Smartphone-Regeln über das normale Maß Ihrer Schule zu verschärfen) sind an dieser Stelle nicht zielführend. Um gegenseitiges Verständnis zu fördern, ist es wichtig, die Heranwachsenden zu respektieren und verstehen zu wollen.
Wenn Sie einen plötzlich auftretenden Trend bemerken, der Ihnen Sorge bereitet, sprechen Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern darüber. Jugendliche können sich durch bestimmte Medieninhalte überfordert oder unter Druck gesetzt fühlen. Den Ursachen können Sie mit offenen Gesprächen (je nach Situation entweder mit den betreffenden Schülerinnen und Schülern oder als Klassendiskussion) auf den Grund gehen.
Auch eine altersgerechte Thematisierung im Unterricht von beispielsweise Gewaltdarstellungen in Medien oder digitalen Gruppenzwang ist möglich und bietet Heranwachsenden Raum zur Reflexion (z. B. in den Fächern Deutsch, Sozialkunde/Politik, Ethikunterricht).
Die Unterrichtseinheit "Challenges – Alles nur Spaß???" von klicksafe bietet pädagogischen Fachkräften Anregungen, das Thema Challenges mit Kindern und Jugendlichen zu bearbeiten.
Bemerken Sie, dass sich unter Ihren Schülerinnen und Schülern riskante Trends verbreiten oder gewaltverherrlichende Szenen auf dem Schulhof nachgespielt werden, ist das außerdem ein guter Grund, die Eltern mit ins Boot zu holen.
Meist erleben pädagogische Fachkräfte und Eltern unterschiedliche Seiten desselben Problems. Ein Informationsaustausch ist also nicht nur empfehlenswert, sondern oftmals auch notwendig, um Kinder und Jugendliche umfassend aufzuklären und vor schädlichen Inhalten zu bewahren.
Besprechen Sie mit Ihrer Schulleitung, ob es bereits Handlungsempfehlungen im Umgang mit Internet-Challenges oder gefährlichen Trends gibt. Wenn Sie vorhaben, aktuelle Medieninhalte im Unterricht zu thematisieren, können Sie zunächst klären, wie diese Problematik an Ihrer Schule gehandhabt wird.
Elternabende und Informationsmaterial
Thematisieren Sie die möglichen Sorgen und Fragen der Eltern rund um das Thema Internet-Hypes und gefährliche Challenges zum Beispiel bei individuellen Elterngesprächen oder bei großflächig auftretenden Trends auch bei einem Elternabend. Einigen Eltern ist vielleicht gar nicht klar, dass ihre Kinder Inhalte konsumieren, die möglicherweise nicht altersgerecht sind oder sie sogar zu gefährlichem Verhalten antreiben.
Ergibt sich die Gelegenheit und besteht bei den Eltern ein entsprechender Bedarf, können Sie auch Informationsmaterial zu folgenden Themen bereitstellen:
Tipps für die Auswahl altersgerechter Medienangebote inkl. Informationen zu FSK & USK
Dabei ist es empfehlenswert, mögliche Ängste der Eltern nicht zu schüren und stattdessen gemeinsam Lösungen zu suchen. Sie sollten den Eltern außerdem ans Herz legen, das direkte Gespräch zu ihren Kindern zu suchen.
Mitunter kann das mediale Interesse an Internet-Hypes auch dazu führen, dass bestimmte Internet-Phänomene falsch eingeschätzt oder überbewertet werden. In den Jahren 2018 und 2019 berichteten so etwa verschiedene Quellen weltweit von der "Momo Challenge", bei der Kinder angeblich mithilfe angsteinflößender Nachrichten zu gefährlichen Aktionen gezwungen werden sollten. Nach intensiver Berichterstattung breiteten sich bei vielen Eltern Sorgen und Panik aus – doch mit der Zeit schien es immer wahrscheinlicher, dass es sich bei der Momo Challenge eher um ein Gerücht als um eine reale Bedrohung handelte. Heute wird diese "Challenge" eher als Hoax (Falschmeldung) gewertet. Zeitungsberichte sollten daher nicht unreflektiert verbreitet werden.
Austausch zwischen Lehrkräften
Wenn Sie bemerken, dass sich Schülerinnen und Schüler etwa gegenseitig zu gefährlichen Herausforderungen anstacheln oder sich bei riskanten Stunts filmen, können Sie die Situation im Moment meist entschärfen. Doch um den zugrundeliegenden Problemen zu begegnen, ist natürlich zunächst ein Verständnis des Auslösers notwendig.
Haben Sie selbst entweder nur wenig Berührungspunkte mit aktueller Internetkultur oder sind unsicher, wie sie mit den viralen Hypes im Klassenraum umgehen sollen, können Sie auch den Kontakt zu anderen Lehrkräften suchen. Dabei ist einerseits der Kontakt zum Kollegium an Ihrer Schule empfehlenswert – vielleicht hat ja bereits eine Kollegin oder ein Kollege an Ihrer Schule ähnliche Probleme bei Schülerinnen und Schülern bemerkt. Alternativ kann auch eine überregionale Vernetzung mit anderen pädagogischen Fachkräften mögliche Lösungsstrategien aufzeigen.
Das innovative Peer-Projekt "Net-Piloten" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet Schulen außerdem eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema exzessive Mediennutzung. Mehr Infos zu den Inhalten und Ablauf finden Sie hier.
Wenn Sie die vorgestellten Lösungsstrategien verfolgen, können Sie Probleme an Ihrer Schule bezüglich gefährlicher Internet-Challenges umfassend thematisieren und die nötige Aufklärungsarbeit sowohl bei den Jugendlichen als auch bei deren Bezugspersonen leisten. Auf diese Weise können oftmals gefährliche Trends unterbunden und Jugendliche für die Gefahren sensibilisiert werden.