Die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen nimmt weiterhin zu und zeigt in vielen Fällen besorgniserregende Tendenzen. Die aktuelle DAK-Suchtstudie liefert wichtige Erkenntnisse zu den digitalen Gewohnheiten junger Menschen in Deutschland und zeigt auf, welche Risiken durch exzessiven Medienkonsum entstehen. Besonders Fach- und Lehrkräfte, aber auch Eltern sind gefragt, diese Entwicklungen zu verstehen und präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Steigende Nutzungszeiten digitaler Medien und problematische Verhaltensmuster bei Jugendlichen
Seit 2019 wird die Längsschnittstudie zum Medienkonsum von Jugendlichen vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kinder- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Auftrag der DAK durchgeführt. Dafür werden regelmäßig rund 1.200 Familien mit Kindern im Alter zwischen 10 und 17 Jahren zum Mediengebrauch befragt.
Die Studie kam zu folgenden Ergebnissen:
Suchtgefahr Social Media
Mehr als ein Drittel der Jugendlichen stimmte der Aussage zu, dass sie „häufig öfter und länger soziale Medien genutzt [haben], als sie es sich vorgenommen oder es mit den Eltern abgesprochen hatten.“
Die DAK-Studie weist darauf hin, dass
- rund 21 % der befragten Jugendlichen ein riskantes Nutzungsverhalten in sozialen Medien aufweisen.
- 4,7 % der Jugendlichen die Kriterien für eine pathologische Nutzung sozialer Medien erfüllen.
Pathologische Nutzung bedeutet, dass sie
- starke Entzugserscheinungen zeigen,
- soziale Kontakte vernachlässigen
- oder ihr Verhalten trotz negativer Konsequenzen nicht kontrollieren können.
Das hochgerechnete Ergebnis zeigt, dass mehr als 1,3 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren in Deutschland betroffen sind – entweder, weil ihre Nutzung sozialer Medien bereits ernste Probleme verursacht hat (pathologische Nutzung) oder weil sie ein erhöhtes Risiko dafür aufweisen (riskante Nutzung).
Riskante Nutzung meint, dass bisher noch kein Kontrollverlust im Spielverhalten stattgefunden hat, aber sich bereits erste negative Folgen wie Schlaf- und Bewegungsmangel oder Vernachlässigung anderer Aktivitäten zeigen können.
Besonders Mädchen nutzen Social-Media-Angebote übermäßig, während Jungen häufiger ein problematisches Gamingverhalten zeigen.
Problematisches Gamingverhalten
Rund die Hälfte der Jungen (49 %) gibt an, im letzten Jahr normalerweise täglich Games gespielt zu haben. Bei den Mädchen gibt dies knapp ein Viertel (23 %) an.
Am häufigsten wird das Smartphone zum Zocken genutzt, vor allem von Mädchen. Jungen spielen deutlich häufiger über Spielekonsolen oder Computer.
Jungen sind mit knapp 5 % doppelt so häufig von einer Computerspielstörung betroffen wie Mädchen. Insgesamt erfüllten 3,4 % der Kinder und Jugendlichen die Kriterien für eine pathologische Nutzung digitaler Spiele (Computerspielsucht) und 8,6 % die Kriterien für riskantes Computerspielverhalten.
Riskantes Streamingverhalten
20 % der Jugendlichen stimmten der Aussage zu, dass sie "häufig öfter und länger Online-Videos geguckt [haben], als sie es sich vorgenommen oder es mit den Eltern abgesprochen hatten".
Beim Streaming von Serien und Filmen zeigen sich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.
- 92 % der Kinder und Jugendlichen nutzen regelmäßig Streaming-Dienste.
- 13,4 % zeigen ein riskantes und
- 2,6 % zeigen ein pathologisches Nutzungsverhalten von Streaming-Angeboten.
Die pathologische Nutzung hat sich damit im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Mediennutzungszeiten von Jugendlichen

Laut der aktuellen DAK-Studie verbringen 10- bis 17-Jährige täglich mehrere Stunden mit digitalen Medien. Dabei wurde zwischen verschiedenen Nutzungsformen unterschieden:
- Soziale Medien: Jugendliche verbringen werktags durchschnittlich 157 Minuten, an Wochenenden sogar 227 Minuten auf Plattformen wie Instagram, TikTok oder Snapchat.
- Gaming: Der Konsum von Videospielen liegt werktags bei 105 Minuten, an Wochenenden steigt er auf 171 Minuten.
- Streaming von Filmen und Serien: Jugendliche nutzen Video-Streaming-Dienste werktags rund 93 Minuten, an Wochenenden 145 Minuten.
Diese Zahlen unterstreichen, dass digitale Angebote einen zentralen Bestandteil des Alltags junger Menschen ausmachen. Problematisch wird es, wenn Jugendliche ein riskantes oder sogar suchtähnliches Nutzungsverhalten zeigen.
Während der Corona-Pandemie ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die digitale Medien riskant oder exzessiv nutzen, stark angestiegen, ebenso die Nutzungszeiten.
Zuletzt zeigte sich die riskante und pathologische Nutzung von digitalen Spielen und Social Media bei Jugendlichen wieder leicht rückläufig, während sich die pathologische Nutzung von Streamingangeboten mehr als verdoppelt hat.
Die Bedeutung digitaler Medien für Kinder und Jugendliche
Messenger-Dienste wie WhatsApp, soziale Netzwerke oder auch Videospiele haben nach wie vor einen enormen Stellenwert im Leben von Jugendlichen. Sie dienen als Informationsquelle, Kommunikationsmittel und Unterhaltungsmedium. Häufig werden sie aber auch dazu genutzt, Gefühle von Einsamkeit, sozialer Isolation oder Kontrollverlust zu reduzieren. Gleichzeitig steigt dabei die Gefahr, ein riskantes oder pathologisches Verhalten zu entwickeln. Einen reflektierten Umgang mit Medien zu erlernen und die Medienkompetenz zu stärken, ist für die Heranwachsenden deswegen umso wichtiger.
Das Schulprojekt Net-Piloten ermöglicht mit einem bewährten Peer-Education-Ansatz die Förderung der Medienkompetenz und Prävention exzessiver Mediennutzung an Schulen.
Handlungsempfehlungen für Fach- und Lehrkräfte
Da Fachkräfte und Lehrkräfte eine entscheidende Rolle bei der Medienerziehung spielen, ist es wichtig, dass aktiv Maßnahmen ergriffen werden, um problematischer Mediennutzung entgegenzuwirken:
Medienkompetenz vermitteln: Die Integration von Programmen zur Medienbildung an Schulen ermöglicht Jugendlichen einen bewussten Umgang mit digitalen Medien.
Aufklärung über Risiken: Durch Workshops und Elternabende kann über die Gefahren von Mediensucht informiert und Präventionsstrategien vermittelt werden.
Alternative Freizeitangebote fördern: Schulen und Jugendeinrichtungen können gezielt analoge Aktivitäten wie Sport oder kreative Projekte anbieten, um Alternativen zur Bildschirmzeit zu schaffen.
Elternarbeit intensivieren: Eltern sollten über die Risiken und Folgen der Mediennutzung ihrer Kinder aufgeklärt werden und Strategien zur Medienregulation erhalten.
Bewusstes Medienverhalten fördern
Die DAK-Suchtstudie macht erneut deutlich, dass problematische Mediennutzung unter Jugendlichen weiterhin ein ernstzunehmendes Thema ist. Um sich mit dieser Problematik in der Schule oder im Jugendfreizeitbereich auseinanderzusetzen, gibt es verschiedene Angebote und Programme zur Prävention und Aufklärung.
Mit dem bundesweiten Net-Piloten-Projekt werden ältere Schülerinnen und Schüler dazu befähigt, Jüngere über die Risiken exzessiver Mediennutzung aufzuklären. Es wird die Medienkompetenz gefördert und sich kritisch mit Inhalten und Auswirkungen digitaler Medien auseinandergesetzt.
Es gibt weitere Angebote, die hier beispielhaft genannt werden und möglicherweise regional oder in der Zielgruppe beschränkt sind:
- Medienscouts NRW: Das Peer-Education-Angebot richtet sich an weiterführende Schulen in NRW und vermittelt Kompetenzen rund um das Thema digitale Medien. Seit kurzem gibt es auch ein spezielles Angebot für Grundschulen.
- Max & Mina ist ein Programm zur Prävention problematischer Mediennutzung für die Klassenstufen 4, 5 und 6.
- Durchblick! ist ein rein digitales Präventionsprogramm mit dem Schwerpunkt digitale Gesundheitskompetenz und richtet sich gleichermaßen an Lehrkräfte, Jugendliche und Eltern.
- Das Therapieprogramm res@t richtet sich an Kinder und Jugendliche, die bereits eine pathologische Mediennutzung zeigen. Das Programm wird derzeit wissenschaftlich evaluiert.