Psychische Gesundheit und digitale Mediennutzung

Einen Großteil der Freizeit verbringen Jugendliche heute digital – das kann negative Folgen haben. Studien zeigen, dass die übermäßige Nutzung digitaler Medien mit Begleiterkrankungen (komorbiden Erkrankungen), wie Depression oder Angststörungen einhergehen können. Aber auch, dass Jugendliche mit diesen psychischen Erkrankungen häufiger dazu neigen, digitale Medien exzessiv zu nutzen. Wenn Jugendliche sich zurückziehen oder sich in irgendeiner Form auffällig verhalten, sollten auch Lehr- und Fachkräfte genau hinschauen, um eingreifen und helfen zu können.

Dieser Beitrag geht auf den Zusammenhang zwischen mentaler Gesundheit bei Jugendlichen und übermäßigem Medienkonsum ein und möchte Lehr- und Fachkräfte unterstützen, problematisches Verhalten zu erkennen und zu verstehen sowie geeignete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. 

Komorbide Erkrankungen bei übermäßigem Medienkonsum

Bei komorbiden Erkrankungen handelt es sich um Begleiterkrankungen, die zusätzlich zu einer Diagnose auftreten. So können eine exzessive Mediennutzung bis hin zur Gaming Disorder (Videospielsucht) beispielsweise eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Depression oder Angststörung begleiten.

Umgekehrt kann eine übermäßige Mediennutzung auch mit Begleiterkrankungen einhergehen und beispielsweise Auffälligkeiten im Sozialverhalten, Bewegungsmangel und Übergewicht fördern. 

Bei etwa acht Prozent der 12- bis 17 Jährigen ist von einer computerspiel- oder internetbezogenen Störung auszugehen und bei knapp einem Drittel der Jugendlichen liegt ein problematisches Nutzungsverhalten digitaler Medien vor.1 Risikofaktoren für die Entwicklung einer solchen Störung sind vor allem soziale Ängste, Schüchternheit oder fehlendes Selbstwertgefühl.
 

Studienlage derzeit nicht eindeutig

Die Wirkungsrichtung ist dabei nicht immer eindeutig und Wechselwirkungen zwischen Mediennutzung, auffälligem Verhalten oder psychischen Erkrankungen und weiteren Einflussfaktoren sind sehr komplex. 
So zeigt eine Studie2 zur Nutzungsintensität und den damit verbundenen Auswirkungen, dass 

  • 13 Prozent der befragten Jugendlichen die Nutzung sozialer Netzwerke nicht beenden konnten, obwohl ihnen dazu geraten wurde. 
  • 17 Prozent manchmal zu wenig schlafen, bei 6 Prozent kommt dies sehr häufig oder häufig vor. 
  • 34 Prozent der Jugendlichen soziale Medien oft nutzen, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen.

Zudem konnte ein Zusammenhang zwischen einer übermäßigen Social-Media-Nutzung und depressiver Stimmung gefunden werden. Die Umfrage belegt jedoch nicht, ob Jugendliche mit depressiven Verstimmungen häufiger soziale Medien nutzen oder ob es die Nutzung ist, die ihre Stimmung verschlechtert.

Eine weitere Studie3 zeigt, dass die Kommunikation über digitalen Medien auch Vorteile birgt. Das gilt vor allem Menschen mit einer sozialen Phobie, von der auch Jugendliche betroffen sein können. Sie fürchten, von anderen Menschen als merkwürdig, peinlich oder gar lächerlich empfunden zu werden. In schweren Fällen ziehen sich Betroffene immer mehr zurück und haben kaum noch reale soziale Kontakte. Soziale Netzwerke oder Messenger können es demnach sozial ängstlichen Menschen leichter machen, sich zu öffnen und ihre Gefühlslage zu äußern. 

Gründe für Mediennutzung

Aus entwicklungspsychologischer Sicht bergen digitale Medien nicht nur Risiken für die Identitätsentwicklung von Kindern und Jugendlichen, sondern können auch förderlich sein. Viele junge Menschen profitieren von den Möglichkeiten zur Selbstdarstellung. Die entsprechenden Rückmeldungen folgen oft in Echtzeit von der Community. In sozialen Netzwerken und Videospielen können zudem Kommunikation und Beziehungsgestaltung erprobt werden. Die reine Mediennutzungsdauer ist daher für eine Bewertung der Mediennutzung wenig aussagekräftig: Es macht selbstverständlich einen Unterschied, ob ein junger Mensch 45 Minuten "zockt" oder ob 45 Minuten für ein Schulreferat im Internet recherchiert wird. 

Dennoch: Vor allem Videospiele sind bewusst so gestaltet, dass es schwerfällt aufzuhören. Oft locken Belohnungen oder die unendlichen virtuellen Welten verleiten zum längeren Spielen. Auch soziale Medien arbeiten mit Mechanismen, die "süchtig" machen: Likes führen zur Produktion von Glückshormonen und endlose Feeds verführen zum längeren Scrollen. Kinder und Jugendliche mit einer erhöhten Stressempfindlichkeit, einer Neigung zur Depressivität und Ängstlichkeit haben ein erhöhtes Risiko, in ein ungesundes Mediennutzungsverhalten zu rutschen. Auch die Corona-Pandemie hat die Online-Nutzung, und damit gleichzeitig eine übermäßige Mediennutzung, verstärkt. Wegen langanhaltenden Kontaktbeschränkungen und vorübergehenden Verboten vieler Sport- und Freizeitangebote mangelte es in vielen Fällen schlichtweg an alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten. In manchen Fällen dienen digitale Medien zudem der Ablenkung, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen. Hierbei ist der Medienkonsum nicht primäres Problem, sondern eher Begleitsymptom.

Problematisches Verhalten erkennen

Bei übermäßigem Medienkonsum sehen Expert:innen inzwischen häufig Symptome, die traditionell mit substanzbezogenen Störungen in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören beispielsweise starkes Eingenommensein, Entzugserscheinungen bei Nichtkonsum oder Kontrollverlust.

Weitere Anzeichen einer übermäßigen Mediennutzung finden Sie hier.

Um festzustellen, ob bereits eine übermäßige Mediennutzung vorliegt, kann der Selbsttest auf ins-netz-gehen.de helfen. Dabei werden Jugendliche dazu motiviert, ihr Nutzungsverhalten in Bezug auf Internetangebote und Videospiele selbst einzuschätzen, und erhalten im Anschluss eine detaillierte Auswertung und Handlungsempfehlung. Diese Testauswertung stellt auch für Fachkräfte eine ideale Möglichkeit dar, um sich einen Überblick über den Medienkonsum des oder der Betroffenen zu verschaffen und somit einen niedrigschwelligen Einstieg in die Beratung zu ermöglichen. Somit besteht für Jugendliche die Möglichkeit, schrittweise Anpassungen an der Mediennutzung vorzunehmen, bevor überhaupt ein suchtähnliches Verhalten entsteht.

Eine exzessive Mediennutzung kann von Erkrankungen wie Aufmerksamkeitsstörungen oder Depressionen begleitet werden.

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Als Fachkraft sollten Sie hellhörig werden, wenn der oder die Heranwachsende beispielsweise

  • über einen längeren Zeitraum traurig oder schnell gereizt ist, 
  • kein Interesse mehr an Aktivitäten und Dingen hat, die zuvor Freude bereitet haben,
  • antriebslos ist und häufig ermüdet wirkt.


Zeigt eine Schülerin oder ein Schüler ein oder mehrere dieser auffälligen Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum, sollte das Gespräch mit ihr oder ihm gesucht werden. Auch der Austausch mit den Erziehungsberechtigten ist wichtig. So können Sie sich einen umfassenden Eindruck verschaffen und besser beurteilen, ob Hilfe- und Handlungsbedarf bestehen.

Weiterführende Links

Die mentale Gesundheit und ein starkes Selbstbewusstsein sind wichtige Resilienzfaktoren bei Jugendlichen und können das Risiko übermäßiger Mediennutzung, als auch für psychische Erkrankungen senken. Die folgenden Angebote sind nur einige von vielen und richten sich insbesondere an Lehrkräfte, um die mentale Gesundheit in der Schule zu fördern:

  • MindMatters ist ein bundesweites, wissenschaftlich begleitetes und in der Praxis erprobtes Programm zur Förderung der psychischen Gesundheit in der Schule. 

  • Das Lions-Quest-Programm versteht sich als Lebenskompetenz- und Präventionsprogramm und möchte die Resilienz und positive Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zwischen 10 und 21 Jahren fördern.

Jugendliche sollten wissen, an wen sie sich im Notfall wenden können. Dies können beispielsweise Sie sein, oder Vertrauenslehrer:innen oder Schulpsycholog:innen. Jugendliche haben auch die Möglichkeit, sich direkt und anonym Hilfe zu suchen, beispielsweise bei:

 

Quellen:

1. BZgA (2019): Drogenaffinität Jugendlicher. Teilband Computerspiele und Internet. S. 24

2. DAK-Studie (2017): WhatsApp, Instagram und Co. – so süchtig macht Social Media - Befragung von Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren. www.dak.de/dak/download/internetsucht-studie-pdf-2106324.pdf

3. Buechel, E.C. & Berger, J. (2017): Microblogging and the Value of Undirected Communication University of South Carolina (2017). In: Journal of Consumer Psychology. 28(1)/40–55. DOI: 10.1002/jcpy.1013

 

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