Pornokonsum und Pornosucht bei Jugendlichen

Im Durchschnitt sehen Jugendliche bereits mit 13-14 Jahren zum ersten Mal Pornos.1 Durch den frühen Kontakt besteht das Risiko einer "Normalisierung" von Pornografie im Alltag und übermäßigem Konsum. Dies kann sich negativ auf die (sexuelle) Entwicklung auswirken.
In diesem Artikel erhalten Sie einen Überblick über aktuelle Zahlen zum Pornokonsum von Jugendlichen, mögliche Auswirkungen und wie Fach- und Lehrkräfte Jugendliche und deren Bezugspersonen bei dem Umgang mit dem Thema Pornografie im Netz unterstützen können.

Pornokonsum bei Jugendlichen

Jugendliche kommen bereits relativ früh mit sexuellen und pornografischen Inhalten in Kontakt. Das passiert zufällig zum Beispiel über soziale Netzwerke, wenn ihnen anzügliche Kurzvideos vorgeschlagen werden oder aber wenn sie über Messenger-Dienste sexuelle Bilder oder Videos zugeschickt bekommen.1 In einer Befragung gaben 23 % Prozent der Jugendlichen an, dass ihnen im letzten Monat ungewollt pornografische Inhalte begegnet sind (Jungen 23 %; Mädchen 22 %).3
Viele Jugendliche suchen aber auch selbst, alleine oder in einer Gruppe, aktiv danach.

Mehr als 40 % der 11- bis 17-Jährigen haben bereits Pornos online gesehen. Der Anteil steigt mit dem Alter und Jungen geben dies häufiger an als Mädchen. Im Alter von 14 bis 17 Jahren hat mehr als die Hälfte der Jungen Pornos gesehen (59 %). Bei gleichaltrigen Mädchen ist es etwas weniger als die Hälfte (42 %).1 

Von den 11- bis 17-jährigen Befragten bewerteten nur 28 % die online gesehenen Pornos als unrealistisch. Genauso viele fanden die gesehenen Pornos erregend und 2 % fanden sie abstoßend bzw. abscheulich.1

Ab wie viel Jahren sind Pornos erlaubt?

Pornografische Inhalte sind laut Gesetz erst ab 18 Jahren erlaubt. Das bedeutet, die Weitergabe solcher Inhalte an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist verboten. Internetanbieter müssen sicherstellen, dass eine Altersprüfung stattfindet. Jedoch fragen entsprechende Seiten im Netz das Alter gar nicht oder nur unzureichend ab. Oft genügt es beispielsweise per Klick zu bestätigen, dass man mindestens 18 Jahre alt ist.2

Wie beeinflusst der Pornokonsum die Entwicklung?

Durch das Tabu und die dennoch leichte Verfügbarkeit von Pornos im Netz kommen Jugendliche immer früher damit in Berührung. Oft auch, bevor sie eigene sexuelle Erfahrungen sammeln konnten oder wenn sie gerade damit anfangen. Dass Pornografie überwiegend unrealistische Inszenierungen von sexuellen Handlungen zeigt, ist Jugendlichen nicht immer bewusst. Dazu kommt, dass pornografische Darstellungen sehr verstörend wirken können, weil sie beispielsweise Gewalt zeigen. Nutzen Jugendliche Pornografie also als eine Art Aufklärungsmaterial, birgt dies Risiken. Jugendliche entwickeln möglicherweise unrealistische Erwartungen an Sexualität, ihre körperliche Entwicklung und an zukünftige Partnerinnen und Partner.
So zeigen Studien, dass früher Pornokonsum zum Beispiel mit späterem riskantem sexuellem Verhalten in Verbindung gebracht werden kann5 oder die Entwicklung sexistischer Denkmuster begünstigen kann.

Häufiger und regelmäßiger Pornokonsum kann zudem einen Einfluss auf die Gehirnstruktur nehmen. So fand eine Studie4 einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Pornografie und der Größe des Stratiums, einem Teil des Belohnungssystems im Gehirn. Häufiger und regelmäßiger Pornokonsum kann also dazu führen, dass auf Dauer immer stärkere sexuelle Reize benötigt werden, um das Belohnungssystem zu aktivieren.
Da sexuelle oder pornografische Inhalte das Belohnungssystem ähnlich anregen wie Gaming, Glücksspiel, Alkohol oder andere Drogen, kann auch der Pornokonsum süchtig machen.

Erhöhtes Risiko für Pornosucht?

Wie bei anderen Süchten, ist auch eine Pornosucht daran erkennbar, dass Betroffene nicht einfach mit dem Konsum aufhören können, auch wenn sie es sich vorgenommen haben. Auch wenn immer mehr Zeit auf das Suchtmittel verwendet wird und immer intensivere Reize gesucht werden, ist das ein Anzeichen. Betroffene nehmen dann in Kauf, dass sie Lebensbereiche, wie Schule, Ausbildung oder andere Verpflichtungen, Hobbys, Familie und Freundschaften vernachlässigen, und sich der Tagesablauf mehr und mehr um den Konsum dreht.

Die Pornosucht ("Pornografie-Nutzungsstörung") ist erst seit kurzem als offizielles Störungsbild anerkannt. Dadurch gibt es bisher auch keine verlässlichen Zahlen, wie viele Menschen an einer Pornosucht leiden, und ob sich das Suchtrisiko mit frühem Pornokonsumbeginn erhöht.
Durch die Aufnahme der Pornografie-Nutzungsstörung als Störungsbild innerhalb der Diagnose "Zwanghaftes Sexualverhalten" in der "Internationalen Klassifikation der Krankheiten" (ICD-11) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), kann dies für Betroffene zukünftig die Diagnostik und den Zugang zur richtigen Therapie vereinfachen.

Das Erkennen einer problematischen Nutzung von pornografischen Onlineinhalten ist häufig sehr schwer, da dieses Thema sowohl bei Betroffenen als auch in ihrem Umfeld schambehaftet sein kann. Betroffene einer Pornosucht möchten ihr Verhalten möglichst geheim halten.

Werden Veränderungen bei Jugendlichen wahrgenommen, die auf einen ungesunden Umgang mit digitalen Angeboten oder auf eine Suchtproblematik hindeuten, gibt es professionelle Hilfsangebote, die in Anspruch genommen werden können.

 

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Das Forschungsprojekt "PornLoS – Pornographie-Nutzungsstörung effektiv behandeln – Leben ohne Suchtdruck" erprobt neue psychotherapeutische Ansätze zur Behandlung einer Pornosucht
Der anonyme Selbsttest auf der Seite www.pornlos.de/bin-ich-betroffen/ kann Betroffenen helfen, ihr Nutzungsverhalten einzuschätzen. Ebenso wie der Test zur Pornosucht auf safersurfing.org oder "9 Fragen - Handelt es  sich um eine Pornosucht?".
 

Den Dialog fördern – mit dem Tabu brechen

Mit der leichten Verfügbarkeit von Pornografie im Netz ist es umso wichtiger, Jugendliche für die Risiken zu sensibilisieren und einen gesunden Umgang mit pornografischen Medieninhalten zu fördern. Da das Thema jedoch häufig schambehaftet ist, sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene, ist es wichtig, dass Jugendliche unterschiedliche Angebote erhalten, sich mit möglichen Auswirkungen von Pornokonsum auseinanderzusetzen. Dies kann zum Beispiel in der Familie, in der Schule, in Jugendtreffs oder der Freizeit geschehen.

Pornokonsum als Thema für Jugendarbeit und Schule?

Wenn Jugendliche aus Neugierde und auf der Suche nach Antworten rund um das Thema Sexualität online nachforschen, kommen sie schnell mit pornografischen Inhalten in Kontakt. Einerseits können diese verstörend sein, andererseits auch überfordern und ein unrealistisches Bild vermitteln. Mit all dem sollten Jugendliche nicht allein gelassen werden. Es ist die Aufgabe von Bezugspersonen, Lehr- und Fachkräften hier Aufklärungsarbeit zu leisten. Dazu können den Jugendlichen beispielsweise auch adäquate Aufklärungskanäle mitgegeben werden, wie Loveline.de, LIEBESLEBEN oder Klar und Einfach: Aufklärung für alle (in leichter Sprache).

Nicht immer ist es für Fach- und Lehrkräfte einfach, das Thema Pornokonsum bei Jugendlichen anzusprechen. Tipps für die pädagogische Praxis, wie das bestmöglich gelingen kann, gibt die EU‑Initiative klicksafe auf ihrer Seite. Weiterhin findet sich dort Material, welches in Zusammenarbeit mit pro familia München entwickelt wurde, und Hintergrundinformationen für Lehr- und Fachkräfte sowie konkrete Module für Unterricht und Jugendarbeit liefert.
Die Medienanstalt NRW bietet Material für den Unterricht der Klassenstufen 7-9 zum Thema "Kinder- und Jugendpornografie im Klassenchat. Junge Menschen nicht zu Täterinnen und Tätern werden lassen".
Das Präventionsprojekt "Fit for Love?" bietet beispielsweise Seminare, Fortbildungen und Workshops für Jugendliche und Multiplikator:innen an. Dabei sollen insbesondere ein positives Bild von Sexualität gefördert sowie Pornosucht vorgebeugt werden.

Im Unterricht oder in Workshops können auch Fallbeispiele gelesen und besprochen werden. So wird der Fokus erstmal weg von den eigenen Erfahrungen gelenkt und es kann Jugendlichen leichter fallen, über Pornosucht zu sprechen:

Elternarbeit: Erziehungsberechtigte stärken

Häufig wissen Eltern gar nicht so genau, was ihre Kinder im Internet sehen. Umso wichtiger ist es, das Gespräch zu suchen. Gerade wenn es dabei um Pornos geht, kann das unangenehm sein – für Eltern und ihre Kinder. Daher ist es wichtig, dass Schulen und präventive Angebote aus der Jugendarbeit auch die Erziehungsberechtigten erreichen, sensibilisieren und sie unterstützen.
So können Elternabende und Elterninformationsveranstaltungen zur Suchtprävention auch genutzt werden, um das Thema Pornokonsum und Suchtrisiko zu thematisieren. Hier können geeignete Angebote und Infomaterialien an die Eltern und Bezugspersonen verteilt werden:  

 

Quellen:

  1. Landesanstalt für Medien NRW (2024). Erfahrung von Kindern und Jugendlichen mit Sexting und Pornos. Zentrale Ergebnisse der Befragung.https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/Forschung/240911_Studie_PornoSextingJugendliche_LFMNRW.pdf
  2. Medienanstalt Rheinland-Pfalz (2023): Gesetzliche Bestimmungen zu Pornografie im Netz.
    https://www.klicksafe.de/pornografie/gesetzliche-bestimmungen
  3. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2023.
    www.mpfs.de/studien/jim-studie/2023/
  4. Kühn, S., Gallinat, J. (2024). Brain Structure and Functional Connectivity Associated With Pornography Consumption. The Brain on Porn. JAMA Psychiatry. 2014;71(7):827-834. DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2014.93
  5. Pathmendra, P., Raggatt, M., Lim, M., Marino, J., Skinner, S. (2023): Exposure to Pornography and Adolescent Sexual Behavior: Systematic Review. J Med Internet Res 2023;25:e43116. DOI: 10.2196/43116
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