Vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) werden seit 1998 repräsentative Studien zum Mediennutzungsverhalten Jugendlicher durchgeführt.
In den Jahren 2020 und 2021 gab es zuletzt eine starke Zunahme der Mediennutzungszeiten bei Jugendlichen aufgrund der Corona-Pandemie. Wie und was Jugendliche digital konsumieren, verändert sich stetig und ist Trends unterworfen. Auch gibt es häufig Unterschiede in den einzelnen Altersgruppen sowie zwischen Mädchen und Jungen.
Bleiben Sie als Fachkraft über die aktuellen Entwicklungen informiert: Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Fakten und Erkenntnisse über das Mediennutzungsverhalten Jugendlicher zusammen.
Jährlich werden rund 1.200 Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren für die JIM-Studie telefonisch sowie online zum Thema Medien und Nutzungsverhalten befragt.
Die Jahre 2020 und 2021 standen insbesondere im Zeichen der Corona-Pandemie, welche die Lebenswelt von Jugendlichen und ihren Familien stark beeinflusst hat. So stieg die Mediennutzungszeit stark an. Im Jahr 2022 sinkt die digitale Mediennutzungszeit von Jugendlichen wieder auf vor Corona-Niveau (siehe Diagramm). Neuen Einfluss auf die jugendliche Lebenswelt nimmt der Ukraine-Krieg: Die Berichterstattung wirft ein neues Licht auf das Thema Desinformation und "Fake News" in sozialen Netzwerken.
Geräteausstattung und Internetnutzung
Nahezu alle Haushalte der befragten Jugendlichen verfügen über ein Handy oder Smartphone (99 %). Fast genauso viele Haushalte verfügen über einen Computer oder Laptop (97 %). Fernsehgeräte sind in 96 % der Haushalte vorzufinden und 84 % der Jugendlichen haben Zugang zu einem Videostreaming-Dienst.
Bei dem persönlichen Gerätebesitz geben 96 % der Jugendlichen an, ein eigenes Smartphone zu besitzen und 73 % verfügen über einen eigenen Computer oder Laptop. Während der Smartphone- und Laptopbesitz bei Mädchen und Jungen ähnlich hoch ist, verfügen Jungen mit 63 % deutlich häufiger über einen eigenen Computer (45 %) und eine feste Spielekonsole als Mädchen (24 % Computerbesitz; 37 % besitzen eine feste Spielekonsole).
Bei allen Geräten zeigt sich eine Zunahme im Altersverlauf, mit Ausnahme von Computern und Wearables.
Das Smartphone wird von 92 % der Jugendlichen täglich genutzt und 84 % sind jeden Tag online. Die tägliche Nutzung des Internets nimmt mit steigendem Alter zu. Im Jahr 2022 sind Jugendliche durchschnittlich 204 Minuten täglich online. Damit ist ein deutlicher Rückgang hin zum vor Corona-Niveau abzulesen: waren Jugendliche 2019 im Schnitt 205 Minuten online, waren sie es 2020 258 Minuten und 2021 241 Minuten. Im Verlauf der letzten 10 Jahre ist insgesamt ein deutlicher Anstieg der Onlinenutzung zu erkennen. 2012 waren Jugendliche noch durchschnittlich 131 Minuten täglich online.
Medien- und Freizeitgestaltung
Digitale Medien nehmen einen hohen Stellenwert in der Freizeitgestaltung von Jugendlichen ein:
Der Großteil der Jugendlichen nutzt das Smartphone und Internet täglich oder mehrmals pro Woche (96 % bzw. 94 %). Dicht gefolgt von Musik hören (89 %) und Fernsehen (78 %). Online-Videos und digitale Spiele nutzen jeweils 76 % der Jugendlichen täglich oder mehrmals pro Woche.
Nachdem die Freizeitbeschäftigung Fernsehen zuletzt einen deutlichen Zuwachs von 72 % (2020) auf 80 % im Jahr 2021 verzeichnete, ist für das Jahr 2022 mit 78 % ein leichter Rückgang zu beobachten.
Im Jahr 2021 wurde zum ersten Mal nach der Nutzung von digitalen Sprachassistenten gefragt: Nutzten damals noch 33 % der Jugendlichen diese täglich oder mehrmals pro Woche, sind es 2022 bereits 48 %.
Während bei der Internetnutzung, Musik hören, Fernsehen und Internet-Videos leichte Rückgänge zum Vorjahr zu verzeichnen sind, werden digitale Spiele 2022 von mehr Jugendlichen gespielt (76 %) und es wird mehr Podcast gehört (19 %).
32 % der Jugendlichen lesen regelmäßig Bücher. Davon lesen 21 % von ihnen innerhalb von 14 Tagen ein Buch. Die durchschnittliche tägliche Lesedauer liegt bei 53 Minuten und ist damit auf gleichem Niveau wie 2019. Zu Beginn der Pandemie war sie deutlich angestiegen (2020: 74 Minuten, 2021: 59 Minuten).
Für fast drei Viertel der Jugendlichen ist das Smartphone ein ungewollter Zeitfresser, durch den sie mehr Zeit als geplant am Handy verbringen (2021: 72 %).
Mit Freundinnen und Freunden treffen sich 73 % der Jugendlichen regelmäßig und 59 % treiben regelmäßig Sport. Knapp ein Drittel unternimmt regelmäßig etwas mit der Familie.
Social Media und Messenger Dienste
WhatsApp ist, wie im Vorjahr, auf Platz eins der wichtigsten Apps für Jugendliche (79 %). Auf Platz zwei und drei befinden sich Instagram (31 %) und TikTok (24 %).
93 % der Jugendlichen nutzen WhatsApp regelmäßig, 85 % sogar täglich. Die tägliche Nutzung nimmt mit dem Alter zu. 2021 gaben 84 % der 12- bis 19-Jährigen an, eine WhatsApp-Gruppe mit ihrer Klasse zu haben.
Während Jungen auch vermehrt Gaming-Plattformen wie Discord (Jungen: 26 %, Mädchen: 7 %) und Twitch (Jungen: 16 %, Mädchen: 5 %) nutzen, sind Mädchen häufiger in sozialen Netzwerken wie Instagram (Mädchen: 70 %, Jungen: 54 %), TikTok (Mädchen: 61 %, Jungen: 48 %), Snapchat (Mädchen: 52 %, Jungen: 38 %) und Pinterest (Mädchen: 21 %, Jungen: 6 %) unterwegs.
Videoportale und Streaming
Während fast alle Haushalte, in denen Jugendlichen leben, mit einem Fernsehgerät ausgestattet sind, besitzen 58 % zudem einen eigenen Fernseher. Zugang zu einem Videostreaming-Dienst haben 84 %. Nach Selbsteinschätzung schauen 12- bis 19-Jährige 133 Minuten wochentags fern (2021: 132 Min., 2020: 137 Min.) und rund 70 Minuten Streaming- und Videoangebote (Netflix, YouTube, Mediatheken etc.).
Mehr Informationen zu Videostreaming und den unterschiedlichen Angeboten lesen Sie in unserem Elternartikel "Streaming – das neue Fernsehen".
Digitale Spiele
Gaming ist eine der beliebtesten Freizeitaktivitäten von Jugendlichen: 84 % der Jungen spielen täglich oder mehrmals pro Woche digitale Spiele. Bei Mädchen gibt es mit 68 % zwar auch 2022 weniger regelmäßige Gamerinnen, jedoch hat der Anteil in den letzten Jahren deutlich zugenommen (2021: 59 %, 2020: 56 %, 2019: 44 %). Nur 6 % der Jugendlichen gibt an, nie zu spielen.
Unter allen Jugendlichen wird das Smartphone am liebsten und häufigsten zum digitalen Spielen genutzt. 62 % von ihnen spielt auf dem Smartphone mehrmals pro Woche oder täglich. Auf der Konsole oder am PC tun dies jeweils knapp ein Drittel der Jugendlichen. 23 % der Jugendlichen spielen auf dem Tablet und der Anteil nimmt kontinuierlich zu.
Auch die von den Jugendlichen geschätzte Spieldauer wird in der JIM-Studie erhoben. Nach eigenen Angaben beträgt die Spieldauer von Jugendlichen im Jahr 2022 an den Wochentagen durchschnittlich 109 Minuten pro Tag. Zum Vergleich: 2019 betrug die geschätzte Spieldauer pro Tag 81 Minuten (2020: 121 Min., 2021: 110 Min.). Generell spielen Jungen im Schnitt deutlich länger (130 Minuten) als Mädchen (87 Minuten).
Die beliebtesten Spiele bei Jugendlichen sind auch 2022 wieder: "Minecraft", "FIFA" und "Fortnite". Während diese Spiele von Jungen häufiger als Lieblingsspiel genannt werden, sind bei Mädchen hingegen die Spiele "Die Sims", "Hay Day" und "Candy Crush" beliebter.
Desinformation und Cybermobbing
Für viele Jugendliche ist die Konfrontation mit "Fake News", Hasskommentaren und Beleidigungen im Internet zu einem alltäglichen Phänomen geworden. Das ist allerdings kein reines Problem der Jugendgeneration, sondern vielmehr eine weitverbreitete Problematik auf den genutzten Kommunikations- und Social-Media-Kanälen wie WhatsApp, Instagram und Facebook.
Bei der Befragung gaben 56 % der Jugendlichen an, im letzten Monat mit "Fake News" konfrontiert worden zu sein. 48 % von ihnen gaben an, dass ihnen im letzten Monat online beleidigende Kommentare begegnet sind. Persönliche Beleidigungen oder Anfeindungen im Netz erlebten 16 % der Jugendlichen. Hassbotschaften begegneten 35 %. Außerdem gaben die Jugendlichen an, dass ihnen online im letzten Monat extreme politische Ansichten und Verschwörungstheorien (je 43 %) begegnet sind.
Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig es ist, Jugendlichen die Verhaltensrichtlinien einer Netiquette zu vermitteln. Zudem benötigen viele von ihnen Hilfe und müssen wissen, wie sie sich gegen Hass und Hetze wehren können.
Auch das Thema Cybergrooming wurde in der diesjährigen Studie angesprochen. Ein Viertel der Jugendlichen gab an, schon einmal von Fremden im Netz kontaktiert worden zu sein. Dabei waren Mädchen mit 28 % etwas häufiger betroffen als Jungen (21 %).
Jugendliche können das Thema im Schulprojekt Net-Piloten bearbeiten sowie ein Referat zu "Fake News" und Desinformationen für die Klasse vorbereiten.
Auswertung und Bedeutung der JIM-Studie
Seit vielen Jahren bestätigt sich der Trend: Das Smartphone wird immer mehr zum alleskönnenden Alltagsmedium. Jugendliche kommunizieren, spielen und informieren sich darüber; nahezu jede und jeder besitzt eines und kann jederzeit darauf zugreifen. Diese Allgegenwart kann mitunter eine exzessive Nutzung fördern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, auf andere Gefahren zu treffen, wie z. B. vermehrte In-Game- oder In-App-Käufe oder riskante Trends und Challenges.
Auch die hohe Nutzungsdauer digitaler Spiele fällt auf: Über zwei Stunden beschäftigen sich Jungen im Schnitt täglich mit digitalen Spielen und die Mädchen holen auf. Auch die hohen Online, Fernseh- und Streamingzeiten von Jugendlichen fallen auf. Da Computer und Internet zudem immer häufiger für Schularbeiten genutzt werden, kommt schnell eine hohe Bildschirmzeit zusammen.
Aus der JIM-Studie lassen sich kurz- und langfristige Trends ablesen, die dabei helfen können, neue Bildungs-, Arbeits- und Kulturkonzepte zu erarbeiten. Somit kann auch auf aktuelle Problemstellungen wie z. B. Cybermobbing aufmerksam gemacht werden.
Durch die Ergebnisse der Befragung können Jugendliche angeregt werden, das eigene Nutzungsverhalten zu reflektieren. Sie sehen sich durch die Ergebnisse repräsentiert und der Vergleich mit der eigenen Altersgruppe ist möglich. Die Einbindung der JIM-Studie im Schulunterricht kann zur Thematisierung exzessiver Mediennutzung ein sinnvoller Einstieg sein.
Ausblick und Relevanz für Fachkräfte
Die JIM-Studie hat in über 20 Jahren die neuen technischen Entwicklungen berücksichtigt und Fragestellungen und Themenbereiche entsprechend angepasst. Das zeigt besonders gut, wie sich der Medienkonsum der Gesellschaft verändert hat. Der Zugang zum Internet und der Wandel an Unterhaltungsangeboten, Kommunikationstools und Spielen eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten. Neben diesen Vorteilen zeigt die JIM-Studie allerdings auch eindrucksvoll, welche negativen Trends damit einhergehen. Ständige Erreichbarkeit, Probleme mit der Privatsphäre und der Hang zu einem pathologischen Nutzungsverhalten sind nur Beispiele für Aspekte, die vor allem Multiplikator:innen vor immer neue Herausforderungen stellen.
Oft wird davon ausgegangen, dass die heutige Generation Jugendlicher bereits eine angeborene Medienkompetenz besitzt. Sie wachsen in der digitalen Welt auf und sind oftmals offener gegenüber neuen technischen Möglichkeiten eingestellt. Allerdings können Erfahrungen im Bereich der Mediennutzung einer gefestigten Medienkompetenz und Sicherheitskenntnissen nicht gleichgesetzt werden.
Aus der JIM-Studie lässt sich ablesen, in welchen Bereichen eine Medienkompetenz besonders wichtig ist. Ebenfalls können so Problematiken, die auffallend häufig für bestimmte Altersstufen oder Geschlechter zutreffen, gezielt angegangen werden. Die Trends und durchschnittlichen Werte, die in der JIM-Studie ermittelt werden, bieten eine gute Grundlage für die Analyse und den Umgang mit individuellen Fälle, lassen sich aber natürlich nicht auf jede oder jeden Jugendlichen anwenden.
Daher ist es wichtig, dass Fachkräfte, gemeinsam mit Lehrkräften und Eltern, die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um junge Menschen medienpädagogisch zu begleiten. Nur so können die Medienwelt und die Chancen neuer technischer Möglichkeiten positiv genutzt werden.
Quellen:
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie. www.mpfs.de/studien/
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2021. https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2021/
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-plus 2022 Fake News und HateSpeech. https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/jimplus-2022/
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2022. https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2022/