20:15 Uhr – Prime Time. Das Ende der Tagesschau läutete über Jahrzehnte den Abend mit spannenden Filmen und Entertainment-Shows ein. Heute lockt diese Uhrzeit kaum noch Jugendliche vor den Fernseher. Geschaut wird On‑Demand, also jederzeit auf Abruf – auf dem TV Gerät, Laptop oder Smartphone. Durch die ständige Verfügbarkeit fällt es vielen Jugendlichen schwer auch mal aus- und abzuschalten.
Wie Sie als Eltern einen bewussten Umgang mit Streaming-Angeboten fördern und Ihr Kind vor schädlichen Inhalten schützen können, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Streamingzeiten bei Jugendlichen
Kinder und Jugendliche verbringen viel Zeit vor dem Bildschirm. Aktuelle Studien zeigen, dass das Streamen von Filmen, Serien oder Tutorials besonders hoch im Kurs steht. Die tägliche Nutzungsdauer liegt werktags durchschnittlich bei 1,5 Stunden und bei über 2,5 Stunden am Wochenende. Während der Corona-Pandemie lagen diese Werte noch deutlich höher. Jedoch zusammengenommen mit den Zeiten, in denen die Heranwachsenden digitale Spiele und soziale Medien nutzen, kommt einiges an Bildschirmzeit zusammen. Während am Wochenende etwa 155 Minuten auf Streaming-Plattformen verbracht werden, liegen Social Media mit durchschnittlich 224 Minuten und Gaming mit 168 Minuten darüber. Gestreamt wird über Smart-TV, PC, Laptop, Handy, Tablet oder Videospiel-Konsole. Damit stehen die Inhalte jederzeit und überall zur Verfügung – stabile Internetverbindung und ausreichend Datenvolumen vorausgesetzt.
Streaming-Dienste im Überblick
Netflix: Bei Netflix können Nutzer:innen zwischen drei Abo-Modellen wählen, die aber Zugriff auf alle Inhalte ohne Werbeunterbrechung bieten. Eine zusätzliche Möglichkeit, Videos für den Einzelabruf zu kaufen oder zu leihen, gibt es nicht.
Amazon Prime Video/Freevee: Im Gegensatz zu Netflix gibt es kein reines Streaming-Abo. Stattdessen ist das Video-Streaming-Portal im Preis der Amazon-Prime-Mitgliedschaft inbegriffen. Über das Prime-Abo können Nutzer:innen Film- und Serien-Inhalte streamen und weitere Titel kaufen oder ausleihen. Diese Option haben auch Nicht-Prime-Kund:innenen. Beim Ableger Freevee gibt es kostenlos und ohne Abo, Zugriff auf hunderte Filme und Serien – allerdings mit Werbeunterbrechung.
Sky: Während der reguläre Zugriff auf Filme und Serien per Receiver oder Internet beispielsweise über TV-Geräte stattfindet, können diese mit der Sky Go-App auch auf mobilen Geräten gestreamt werden. Nutzer:innen stehen unterschiedliche Abo-Möglichkeiten zur Verfügung.
Disney+: Das Angebot von Disney+ war anfänglich vor allem auf Familien ausgerichtet, bietet mittlerweile aber Filme, Serien und Dokumentationen sämtlicher Genres und Altersbeschränkungen an.
YouTube: Zwar handelt es sich bei der Videoplattform YouTube nicht um einen klassischen Streaming-Dienst, dennoch nutzen Kinder und Jugendliche YouTube auch für Filme und Serien mit 63 % häufiger als Netflix (50 %). Nutzer:innen von YouTube Premium können die Inhalte ohne Werbeunterbrechung ansehen und haben beispielsweise Zugriff auf Eigenproduktionen von YouTube.
(Stand: März 2024)
Selbstverständlich gibt es noch viele weitere Streaming-Anbieter und Videoplattformen. Die meisten bieten Kindersicherungen und Jugendschutzfilter an, die Eltern nutzen können, um das Angebot für ihre Kinder sinnvoll zu begrenzen.
Risiken beim Streaming
Streaming hat auch ein neues Phänomen verstärkt: Binge Watching. Es beschreibt den Serienmarathon, bei dem mehrere Folgen einer Serie oder ganze Staffeln quasi ununterbrochen über mehrere Stunden oder Tage gesehen werden. Streaming-Anbieter und Produktionsfirmen setzen gezielte Strategien ein, die das Binge-Watching besonders verlockend machen:
Viele Serien werden nicht Folge für Folge, sondern als abgeschlossene Staffeln veröffentlicht. Dadurch können die zusammenhängenden Episoden nacheinander geschaut werden.
Am Ende einer Folge kommen sogenannte Cliffhanger zum Einsatz. Dieses Stilmittel wird eingesetzt, um die Zuschauerinnen und Zuschauer an die Serie beziehungsweise die Filmfortsetzung zu fesseln. Das offene Ende ist meist so spannend, dass man sofort wissen möchte, wie es weitergeht.
Die Plattformen werten außerdem Nutzerdaten und Wiedergabeverläufe aus, um passende Empfehlungen für Serien, Filme und Videos zu liefern.
Autoplay-Funktionen, die automatisch die nächste Episode oder ein neues Video abspielen, erschweren zudem das Aufhören.
In einer aktuellen Studie zum Thema Streaming bei Jugendlichen, gaben immerhin 48 % der Befragten an, länger als geplant Streaming-Dienste zu nutzen. Elf Prozent berichteten über negative Auswirkungen des Streamings auf die Schulleistungen und neun Prozent gaben an, durch das Streaming wichtige soziale Kontakte gefährdet oder bereits verloren zu haben.
Doch nicht nur die Streaming-Dauer kann problematisch sein, sondern auch die Inhalte. So war beispielsweise die Netflix-Serie "Squid Game" trotz expliziter Gewaltszenen bei Kindern und Jugendlichen einige Monate im Trend. Das Schauen der Serie war dabei nicht zwingend notwendig, denn viele Ausschnitte gab es auch in YouTube-Videos oder Social-Media-Posts zu sehen. In der Serie treten hoch verschuldete Menschen in zunächst scheinbar harmlosen Spielrunden gegeneinander an, um ein hohes Preisgeld zu gewinnen. Dabei geht es nicht um Ehrgeiz und Spielspaß, sondern um Leben und Tod – denn wer verliert, stirbt. Nach Veröffentlichung der Serie, wurde dies in Internet-Challenges immer wieder auf Schulhöfen nachgeahmt oder heftige Bestrafungen für das Verlieren von eigentlich harmlosen Spielen gefilmt.
Umso sinnvoller ist es, Kindersicherungen und Jugendschutzfilter in den Einstellungen der Streaming-Anbieter zu aktivieren.
Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendschutz bei Streamingdiensten finden Sie auch bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (fsf) und im Leitfaden für Eltern von Klicksafe. Orientierung bieten außerdem die Alterskennzeichnungen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK).
Potenzielle Kostenfallen
Bei den meisten Streaming-Anbietern ist man mit einem Abo auf der sicheren Seite – rechtlich wie auch finanziell gesehen. Nur wenige Dienste (zum Beispiel Amazon Prime) zeigen trotz Abonnement auch Angebote an, die zusätzlich gekauft werden können. Mit einem separaten Kinderprofil, können solche Bezahlinhalte in vielen Fällen eingeschränkt werden.
Darüber hinaus gibt es im Netz weiterhin Portale, über die illegal Filme und Serien abzurufen sind. Beim sogenannten Filesharing werden aktuelle Filme und Serien auf einer Tauschplattform zum Download angeboten. BitTorrent ist eine der bekanntesten Plattformen. Was viele nicht wissen: Wer sich diese Inhalte herunterlädt, bietet diese automatisch auch anderen User:innen an – und macht sich damit strafbar.
Dabei haften Eltern für ihre minderjährigen Kinder und erhalten schlimmstenfalls Abmahnbriefe oder höhere Geldforderungen. Oft werden die Rechtsverfahren jedoch eingestellt, wenn Eltern ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind. Deswegen ist es wichtig, dass Sie mit Ihren Kindern regelmäßig darüber sprechen, was und wo sie sich online Videos und andere Inhalte ansehen.
Tipps für Eltern
Eltern leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass Jugendliche sich zu selbstbewussten und gesunden Erwachsenen entwickeln können. Dafür ist es ratsam, wenn Sie über Aktivitäten und Kontakte Ihres Kindes informiert sind und ihm gleichzeitig Gestaltungsspielräume zugestehen. Damit das gut funktioniert, sollten Sie mit Ihrem Kind im Austausch bleiben. Dazu gehört auch ein offenes Gespräch, wenn Sie ein problematisches Mediennutzungsverhalten bei Ihrem Kind beobachten. Oft reagieren Teenager genervt und abweisend, wenn Sie das Thema unvermittelt ansprechen. Daher ist es hilfreich, sich Zeit für das Gespräch zu nehmen und dieses vorzubereiten.
Die Grenze zwischen ausgewogener und gesundheitsgefährdender Mediennutzung zu bestimmen, ist für Eltern keine leichte Aufgabe. Das Handy ist ein ständiger Begleiter und auch der Computer oder die Konsole werden in der Freizeit häufig genutzt. Wenn sich Ihr Kind phasenweise sehr intensiv mit einer Serie, einem Computerspiel oder einem Internetangebot beschäftigt, ist das allein noch kein Grund zur Besorgnis. Anzeichen wie das Vernachlässigen von Schule, Hobbys oder Freundschaften, Müdigkeit oder gereizter Stimmung, sollten jedoch ernst genommen werden.
Auch gemeinsame Medienzeiten sowie Nutzungszeiten festlegen kann sinnvoll sein. Dabei ist es ratsam, dass die Nutzungszeiten auf einem Vertrauensverhältnis basieren und keine strenge Überwachung erfordern.
Quellen:
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2023
DAK-Gesundheit, Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) (2024): Problematische Mediennutzung im Kindes- und Jugendalter in der post-pandemischen Phase