Video-, Computerspiele und Spiele-Apps sind für viele Jugendliche ein fester Bestandteil der Freizeitgestaltung. Während einige sich zeitlich begrenzt mit digitalen Spielen beschäftigen und sich anschließend anderen Hobbys widmen, sitzen andere Jugendliche jeden Tag stundenlang vorm Bildschirm und flüchten sich zunehmend in virtuelle Spielewelten. Für Eltern ist es dann schwierig zu erkennen, ob ihr Kind gerade nur für eine bestimmte Zeit von einem Spiel fasziniert ist oder ob hier schon ein problematisches Nutzungsverhalten vorliegt. Daher finden Sie in diesem Artikel genauere Informationen zur Computerspielsucht und Tipps, wie Sie Ihrem Kind helfen können, zu einem gemäßigteren Spielverhalten zurückzufinden.
Ist mein Kind computerspielsüchtig?
Digitale Spiele üben auf Kinder und Jugendliche eine besondere Faszination aus. Interessante Geschichten, spannende Aufgaben und die Möglichkeit, online mit Freunden zu spielen, können dazu führen, dass sich Jugendliche zeitweise sehr intensiv mit Spielen beschäftigen. Solche Phasen übermäßigen Spielens sind in der Pubertät normal. Dauert dieses Verhalten allerdings über mehrere Monate an und haben Sie als Elternteil das Gefühl, dass etwas nicht stimmt und Ihr Kind sich verändert hat, sind Ihre Sorgen berechtigt.
Im Juni 2018 erkannte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Computerspielabhängigkeit als eine psychische Krankheit an. Betroffene leiden unter dem Drang, ständig spielen zu müssen, und richten ihr Leben und den gesamten Tagesablauf danach aus. Dauert dieses Verhalten länger als 12 Monate an, kann laut WHO von einer Computerspielsucht ausgegangen werden.
Anzeichen einer Computerspielsucht
Videospiele sind im Leben der Betroffenen allgegenwärtig. Der Tagesablauf, die Gedanken und Handlungen drehen sich nur um Computerspiele.
Betroffene verlieren zunehmend die Kontrolle darüber, wie oft und wie lange sie am Tag spielen.
Viele Jugendliche versuchen im Gespräch mit den Eltern oder Freunden das eigentliche Ausmaß ihres Spielverhaltens und/oder die Zeit, die sie mit Spielen verbringen, zu verheimlichen.
Frühere Hobbys und Interessen treten immer mehr in den Hintergrund und werden schlussendlich vergessen.
Jugendliche, die unter einer Computerspielsucht leiden, nehmen oft negative Konsequenzen in Kauf, um länger spielen zu können. So ist es nicht unüblich, dass Betroffene die Körperhygiene vernachlässigen, soziale Beziehungen fallen lassen und die Schule schwänzen bzw. nicht zur Ausbildung oder Arbeit erscheinen.
Betroffene haben Entzugserscheinungen und reagieren aggressiv, unruhig oder reizbar, wenn sie nicht spielen können.
Zeigt Ihr Kind einige dieser Symptome über einen längeren Zeitraum, sollten Sie als Elternteil eingreifen. Natürlich ist es ratsam, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen und Ihrem Kind zu helfen, bevor es ein Suchtverhalten entwickelt. Sobald Ihr Kind über einen längeren Zeitraum auffällig oft spielt und Sie ein schlechtes Bauchgefühl haben, sollten Sie Ihrem Kind helfen.
Um eine unabhängige Einschätzung zum Spielverhalten Ihres Kindes zu erhalten, bitten Sie es den Selbsttest von Ins Netz gehen ehrlich auszufüllen. Anschließend erhält es die Möglichkeit sich zur Online-Beratung anzumelden.
Zunächst empfiehlt es sich allerdings, dass Sie mit Ihrem Kind über Ihre Bedenken reden. Schildern Sie dazu am besten vorurteilsfrei Ihre Ängste, Sorgen und Bedenken. In einem Gespräch können Sie zu Ihrem Kind vordringen und die wahren Ursachen für die übermäßige Beschäftigung mit Videospielen herausfinden. Häufige Ursachen für eine Videospielsucht sind zum Beispiel:
Persönlichkeitsmerkmale: Jugendliche, die sehr introvertiert und/oder schüchtern sind, neigen eher dazu, sich in Videospielwelten zu flüchten. Oft haben es Teenager mit diesen Charakterzügen schwer, Freundschaften zu schließen und leiden unter der Einsamkeit. Videospiele bieten so eine willkommene Ablenkung.
Funktionsweise von Computerspielen: Viele Computerspiele besitzen besondere Elemente, die die Spieldauer erhöhen und so zum Dauerspielen verleiten. Ein wichtiger Faktor ist hier zum Beispiel die Multiplayer-Funktion, die es Ihrem Kind ermöglicht, im Team mit anderen zu spielen. Dadurch entwickelt sich ein Gruppenzwang, die Angst etwas zu verpassen und/oder das Gefühl das Team im Stich zu lassen, wenn man das Spiel beendet.
Flucht vor der Realität: Manche Jugendliche flüchten sich sprichwörtlich in digitale Spiele, um vor einem Problem davonzurennen. Das können Konflikte in der Schule, im Freundeskreis oder im familiären Raum sein.
Häufig haben es Eltern schwer, den Zugang zu einem verschlossenen Teenager zu finden. Sie reagieren entweder abwehrend oder gereizt auf solche sensiblen Themen. Für Eltern ist es daher ratsam, den richtigen Moment abzuwarten sowie das Gespräch ruhig und vorurteilsfrei zu beginnen. Weitere Tipps zum Umgang mit Jugendlichen in schwierigen Situationen finden Sie in unseren Artikel "Zugang zu Teenagern finden" und "Über die Mediennutzungszeit reden".
Computersucht – Was Eltern tun können
Damit Ihr Kind wieder mit Freude mehr Zeit fernab vom Computerbildschirm verbringt, ist es wichtig, dass es einsieht, dass es zu viel Zeit mit digitalen Medien verbringt. Daher sollte ein einfühlsames Gespräch mit Ihrem Kind immer der erste Schritt sein. Nur zusammen können Sie dieses Problem lösen. Natürlich ist das für Eltern nicht immer leicht, da Jugendliche oft bewusst stur reagieren, Grenzen austesten und Probleme mit der Mediennutzung nicht wahrhaben wollen. Der Schlüssel zum Erfolg ist hier Geduld, Einfühlsamkeit und Hartnäckigkeit.
Um zusammen den Weg zu einem gemäßigteren Spielverhalten zu ebnen, können Sie folgende Selbsthilfemaßnahmen ergreifen:
Versuchen Sie als Elternteil „co-abhängiges“ Verhalten zu vermeiden. Das beutet, dass Sie es Ihrem Kind nicht erleichtern sollten weiterzuspielen. Oft passiert dies unbewusst, indem Sie ihm das Essen bringen oder bestimmte Aufgaben für Ihr Kind erledigen.
Legen Sie zusammen Medienzeiten fest. Dabei sollten Sie die Medienzeiten nicht komplett streichen, sondern schrittweise reduzieren. So zeigt sich Ihr Kind kooperativer, kann sich langsam entwöhnen und die freie Zeit nach und nach mit anderen Aktivitäten füllen.
Führen Sie Belohnungen für Ihr Kind ein. So ist es motivierter, Vereinbarungen über die Medienzeit einzuhalten und den täglichen Verpflichtungen nachzugehen. Dafür können Sie beispielsweise ein Punktesystem einführen. Dabei gibt es einen Punkt für erledigte Aufgaben, für das Einhalten der Medienzeiten oder wenn Ihr Kind einem anderen Hobby nachgegangen ist. Hat Ihr Kind eine vorher festgelegte Punktezahl erreicht, erhält es eine Belohnung abseits von Videospielen, über die es sich wirklich freut. Sprechen Sie daher mit Ihrem Kind darüber, was es sich als Belohnung vorstellen könnte und entwickeln Sie zusammen ein Belohnungssystem, was Ihr Kind wirklich motiviert, die Zeit vor der Spielekonsole zu reduzieren.
Unterstützen Sie Ihr Kind dabei, neue Hobbys und Freizeitbeschäftigungen zu finden. Zusammen können Sie nach möglichen Sportvereinen oder Kursen für Ihr Kind suchen oder Hobbyzubehör für kreative Freizeitbeschäftigungen kaufen. Je vielfältiger Sie gemeinsam das Freizeitangebot für Ihr Kind gestalten, umso eher wird es mehr Zeit ohne Computerspiele verbringen.
Um als gutes Vorbild voranzugehen, sollten alle in der Familie an einem Strang ziehen. Das bedeutet, das alle Familienmitglieder die Mediennutzungsregeln kennen und durchsetzen, aber auch, dass die Eltern mit gutem Beispiel vorangehen und auf das eigene Mediennutzungsverhalten achten. So kann sich Ihr Kind besser an Ihnen orientieren.
Um die Eltern-Kind-Bindung zu stärken, ist es ratsam, wenn Sie sich die Zeit nehmen und echtes Interesse für die Lieblingsspiele Ihres Kindes zeigen. So können Sie gezielt Fragen stellen und den Zugang zu Ihrem Kind über sein Lieblingshobby finden. Allerdings sollten Sie in den Momenten das Gespräch suchen, in denen Ihr Kind auch bereit dafür ist. Wenn es gerade spielt, wird es womöglich abwehrend reagieren, auch wenn Sie es nur gut gemeint haben.
Professionelle Hilfe bei Videospielsucht
Wenn Jugendliche an einer Computerspielsucht erkrankt sind, brauchen Familien oft professionelle Unterstützung, um zurück zu einem geregelten Familienalltag zu finden. Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Kind die Kontrolle über sein exzessives Spielverhalten verliert, aufgestellte Regeln nicht funktionieren und Sie den Zugang zu Ihrem Kind verlieren, ist es ratsam, Hilfe zu suchen. Das ist ganz normal und ein Beweis dafür, dass Sie sich um Ihr Kind sorgen und ihm helfen wollen. Oft öffnen sich Teenager Fachkräften gegenüber leichter, weil sie Scham empfinden, vor ihren Eltern Probleme zuzugeben. Das kann eine normale Hürde in der Pubertät sein. Daher ist es oft hilfreich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Sie sind als Elternteil mit diesem Problem nicht allein. Auch wenn Ihr Kind nicht einsehen möchte, dass es eventuell ein Problem mit Videospielen hat, können Sie individuelle Hilfe bei einer Beratungsstelle in Ihrer Nähe finden oder eine Online-Bratung nutzen. Die Präventionskampagne "Ins Netz gehen" stellt beispielsweise eine kostenlose E-Mail-Beratung für Eltern und die Online-Beratung für Jugendliche bereit. So haben Sie beide die Möglichkeit, Ihre Probleme zu schildern und eine professionelle Einschätzung zu bekommen. Des Weiteren finden Sie in unserer Datenbank Beratungsstellen in Ihrer Nähe, die Sie kontaktieren können. Die Expertinnen und Experten der Beratungsstelle können Ihnen weiterhelfen und zusammen mit Ihnen und Ihrem Kind eine Lösung finden.
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