Was ist exzessive Mediennutzung? – Anzeichen erkennen

Wann wird die Nutzung digitaler Medien zu viel? Der Medienkonsum durchdringt viele Bereiche der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen – vom Familienleben bis zum Schulalltag – und sorgt dabei nicht selten für Konflikte. Ohne Smartphone aus dem Haus zu gehen oder eine längere Zeit vom Internet abgeschnitten zu sein, ist für Jugendliche schlicht undenkbar.

Medieninhalte und Mediengeräte sind allgegenwärtig und beeinflussen das Kommunikationsverhalten, die Informationssuche und die Nutzung von Unterhaltungsangeboten. Bei diesen vielfältigen Möglichkeiten stellt sich die Frage: Wo hört der gesunde Umgang mit Computern und Co. auf und wo fängt ein gefährliches, vielleicht sogar suchtähnliches Verhalten an? Hier finden Sie eine Übersicht über mögliche Anzeichen für eine exzessive Mediennutzung bei Jugendlichen sowie Tipps, wie Bezugspersonen damit umgehen können.

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Die deutschen Haushalte sind medial gut ausgestattet: Smartphones, Computer bzw. Laptop und ein Internetzugang sind in nahezu allen Familien vorhanden. Stationäre Spielekonsolen finden sich bei 69 % der Familien, tragbare Konsolen bei etwa 43 %. Ein eigenes Smartphone haben 96 % der Jugendlichen und knapp drei Viertel der Jugendlichen besitzen einen eigenen Computer oder Laptop.1

Wann wird Medienkonsum problematisch?

Die Nutzung des reichen Medienangebots ist längst selbstverständlich und prägt die Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen maßgeblich. In vielen Fällen befinden sich die Geräte im Eigenbesitz der Jugendlichen und können somit intensiver genutzt werden, ohne dass sie mit anderen Haushaltsmitgliedern geteilt werden müssen oder direkt von den Eltern kontrolliert werden. Internet- und Smartphonenutzung nehmen dabei den überwiegenden Teil der Medienbeschäftigung ein, während digitale Spiele etwa bei 72 % der Jugendlichen regelmäßig Zeit beanspruchen. Ihre Mediennutzungsdauer schätzen 12- bis 19-jährige Jugendliche auf durchschnittlich 224 Minuten pro Wochentag.1

In Anbetracht dieser Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass Eltern und andere Bezugspersonen von Jugendlichen das Nutzungsverhalten kritisch oder besorgt betrachten. Obwohl sich nicht minutengenau feststellen lässt, ab welchem Zeitpunkt der Medienkonsum das "normale" Maß übersteigt, können starke Abweichungen von gängigen Richtwerten bereits ein wichtiges Signal sein.

So lässt sich durch die Mediennutzungsdauer bereits das Risiko abschätzen, ob Hobbys, Freundschaften und Verpflichtungen außerhalb der Online-Welt in Vergessenheit geraten. Die Mediennutzung kann zu problematischen Entwicklungen führen, wenn aus "normaler" Mediennutzung ein exzessives Verhalten wird, das negativ in andere Aspekte des Alltags eingreift. 

Seit einigen Jahren wird in wissenschaftlichen Arbeiten deshalb diskutiert, ob diese übermäßige und oftmals schädliche Mediennutzung als "Medienabhängigkeit" oder "Mediensucht" diagnostiziert werden kann.

Aktuell ist ein pathologischer Mediengebrauch als eigenständiges Störungsbild im Bereich der Verhaltenssüchte nur für Computer- bzw. Videospiele offiziell anerkannt. Jedoch ist auch ein suchtähnliches Verhalten bei der exzessiven Nutzung von sozialen Netzwerken, wie Instagram oder TikTok, beobachtbar. Die Sucht nach Online-Pornografie (auch Pornografie-Nutzungsstörung) oder nach Online-Glücksspiel sind weitere Süchte im Zusammenhang mit digitalen Medien.

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Im Jahr 2018 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gaming Disorder (dt. "Videospielsucht") als Unterkategorie der Verhaltenssüchte aufgenommen und damit offiziell als Krankheitsbild beschrieben. Seit 2021 ist das Störungsbild in der "Internationalen Klassifikation der Krankheiten" (ICD-11) im Bereich der Verhaltens- und Neuroentwicklungsstörungen aufgeführt.

Problematische Anzeichen erkennen

Eine intensive Beschäftigung mit dem Smartphone, Internetangeboten oder Videospielen muss nicht unbedingt für eine Abhängigkeit sprechen. Überschwängliche Begeisterung und intensive Leidenschaft für bestimmte Freizeitaktivitäten gehören bei den meisten Kindern und Jugendlichen zur normalen Entwicklung dazu. Da der Austausch mit Gleichaltrigen und die Teilhabe an der Jugendkultur stark digitalisiert sind, kann phasenweise eine verstärkte Mediennutzung auftreten.

Der Übergang von einer intensiven, aber unbedenklichen zu einer exzessiven Mediennutzung kann fließend verlaufen. Treten Schwierigkeiten mit der Mediennutzung über einen längeren Zeitraum auf oder verschlimmern sie sich abrupt, kann das auf die Entwicklung eines problematischen Nutzungsverhaltens hinweisen. Die Verhaltensweisen und Gefühle der Betroffenen ähneln dabei anderen nicht-substanzungebundenen Süchten, wie z. B. der Glücksspielsucht.

Zu den häufigsten Symptomen bei Jugendlichen zählen:

  • zeitlich unkontrollierter, oft stundenlanger Medienkonsum

  • stetige Erhöhung der Nutzungszeiten

  • übermäßige gedankliche Beschäftigung mit den Lieblingsspielen oder sozialen Netzwerken

  • misslingende Versuche, die Mediennutzung zu reduzieren

  • Vernachlässigung der (außer-)schulischen Verpflichtungen und sozialen Kontakte

  • Entzugserscheinungen bei Nichtkonsum, z. B. Wut, Reizbarkeit, Verzweiflung, Niedergeschlagenheit

  • körperliche Begleiterscheinungen wie Kopf- und Rückenschmerzen, Schlafmangel etc.

  • Verheimlichung oder Verharmlosung des Nutzungsverhaltens und möglicher Folgeprobleme

Wie anhand dieser Symptome sichtbar wird, nimmt die exzessive Mediennutzung im Leben der Betroffenen eine zentrale Rolle ein und entzieht sich gleichzeitig verstärkt ihrer Kontrolle. Treten mehrere dieser Symptome über einen längeren Zeitraum auf, kann man von einer Abhängigkeit sprechen. Exzessive Mediennutzung lässt sich jedoch nicht ausschließlich an der Nutzungszeit festmachen, sondern wird auch von anderen Faktoren beeinflusst – z. B. der Art des konsumierten Inhalts und der emotionalen Situation, in der sich die Betroffenen befinden.

Was können Bezugspersonen tun?

Um zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche überhaupt ein problematisches Nutzungsverhalten entwickeln, ist eine umfassende und unterstützende Medienerziehung hilfreich. Ein komplettes "Medienverbot" ist jedoch nicht zielführend. Kinder können nur im Umgang mit digitalen Medienangeboten die nötigen Kompetenzen erlangen, um ihre Mediennutzung später selbst zu regulieren.

Es ist empfehlenswert, dass Eltern und Kinder gemeinsam altersgerechte Regeln zur Mediennutzung aufstellen, die innerhalb der Familie, aber auch in anderen sozialen Situationen gelten. Eine gewisse Flexibilität der Regeln und die Bereitschaft zu Kompromissen auf beiden Seiten unterstützt Kinder bei der Entwicklung einer eigenverantwortlichen Medienkompetenz.

Ein exzessiver Medienkonsum von Jugendlichen macht sich meistens auch im Schulalltag bemerkbar, z. B. durch einen deutlichen Leistungsabfall oder starke Unaufmerksamkeit im Unterricht. Für Lehrkräfte ist es oft nicht einfach, die Mediennutzung ihrer Schülerinnen und Schüler über diesen Rahmen hinaus einzuschätzen. Trotzdem ist es hilfreich, wenn sie auf bestimmte Zeichen für ein problematisches Nutzungsverhalten achten und ggf. das Gespräch mit Schülerinnen und Schülern und den Eltern suchen.

Um festzustellen, ob bereits eine übermäßige Mediennutzung vorliegt, kann der Selbsttest auf ins-netz-gehen.de helfen. Dabei werden Jugendliche dazu motiviert, ihr Nutzungsverhalten in Bezug auf Internetangebote und Videospiele selbst einzuschätzen, und erhalten im Anschluss eine detaillierte Auswertung und Handlungsempfehlung. Diese Testauswertung stellt auch für Fachkräfte eine ideale Möglichkeit dar, um sich einen Überblick über den Medienkonsum einer Betroffenen oder eines Betroffenen zu verschaffen und somit einen niedrigschwelligen Einstieg in die Beratung zu ermöglichen. Somit besteht für Jugendliche die Möglichkeit, schrittweise Anpassungen an der Mediennutzung vorzunehmen, bevor überhaupt ein suchtähnliches Verhalten entsteht.

Quellen:
1 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs): JIM-Studie 2023: https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2023/  

Weitere:

Bischof, G. et al. (2013): PINTA-DIARI Studie 2013. Bundesministerium für Gesundheit: Berlin.
Griffiths, M. ( 2000): Internet Addiction - Time to be Taken Seriously? In: Addiction Research , Vol. 8.
Grüsser S., Rosemeier H. (2004) Exzessive belohnende Verhaltensweisen oder nichtstoff gebundene Sucht. In: Psychomed 16: 132–135. 
Rehbein F. et al. (2009), Kleimann & Mößle, 2009: Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter. Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V.


 

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